GoodNews KW06/2021

Hinter den Bergen?

Kürzlich war ich im Jura Schneeschuhwandern. Was war das für ein herrlicher Spass. Endlich mal wieder Weitblick geniessen. Zugegeben, ich war nicht die einzige mit dieser Idee. Ich steckte sogar in so etwas wie einem Schneeschuhwanderstau. Zumal wir ja alle Abstand hielten und geduldig warteten, bis sich auch diejenigen fortbewegten, die ganz offensichtlich ein hohes Mitteilungsbedürfnis verspürten. Wahrscheinlich dem Homeoffice geschuldet. Dennoch habe ich mir gewünscht, etwas mehr Privatsphäre zu haben. Habe mir gewünscht, diese schönen Schneeflocken, die tief verschneiten Tannen, die jungfräulichen Hänge und frischen Gedanken mein eigen zu nennen. So wie in Jugendtagen. Damals waren wir mit unserer Mama ganz alleine unterwegs. Halt, da fällt mir ein, ich idealisiere: Damals habe ich weder den Jura noch diese Einsamkeit geschätzt. Damals war mir dieses Setting in den Bergen eher unangenehm, fast suspekt. Ich wollte nur eins: auf die Schlittschuhbahn und ab ins grosse, emsige Gedränge.
Kürzlich habe ich gelesen, wir hätten herrliche Berge und wunderschöne Hänge, aber keinen Hang zum Optimismus. Wie auch? Wir können weder Freunde besuchen noch unbeschwert arbeiten. Können uns weder im Restaurant kulinarisch um die Welt essen, geschweige denn die Sommer­ferien entspannt planen. Seit einer gefühlten Ewigkeit haben wir das unsägliche Gefühl, die Gesellschaft, die Demokratie und unsere Freiheit seien in Gefahr. Derzeit ist der Hang zum Pessimismus gross. Natürlich wissen wir, dass es müssig ist, sich aufzuregen. Guter Rat ist ziemlich teurer geworden. Deshalb schlage ich vor, wir schätzen einfach mal das, was uns geblieben ist. Und dann tagträumen wir einfach mal drauflos. Vielleicht wie es wäre, wenn wir gelernt hätten, den Moment zu geniessen? Und davon, dass mit Kinderaugen alles anders aussieht. Sich auch so anfühlt. Denn Hauptsache, es sind Ferien. Auch ohne Schneesportlager eine coole Zeit. Ob mit oder ohne Gedränge – naturnah ist immer schön gesund. Auch distanziert.

Simone Leitner Fischer